Jahrtausendelang glaubten fast alle Menschen, ein König, Pharao, Fürst, Hausherr, Ehemann oder sonst irgend jemand könnte über ihr Leben entscheiden. Dann begannen immer mehr Leute, für Selbstbestimmung zu kämpfen. Und der Kampf ist noch lange nicht vorbei. Der Name Demokratie kommt aus dem Griechischen, weil diese Gegend eine derjenigen war, in denen zuerst an dieser neuen Gesellschaftsform gebaut wurde. Heute scheinen nur noch faschistische Blockbuster daran zu erinnern.
Leider wurde ebendort zur gleichen Zeit aber auch etwas anderes erfunden, daß sich in der Geschichte der Menschheit immer wieder als äußerst demokratiefeindlich herausstellte: Das Kredit- & Bankenwesen, das selbstverständlich viele praktische und auch verbindende Vorzüge aber auch einige Gefahren in sich birgt. So fördert es in seiner Abstrahierbarkeit nur allzu leicht eine unbarmherzige Profitgier, Kurzsichtigkeit und Unehrlichkeit, die auch immer öfter in Killerkapitalismus ausartet.
Wie demokratieschädigend dies sein kann, zeigte sich wieder einmal im letzten halben Jahr. Vor den Wahlen im Jänner hieß es noch, das Schiff Griechenland sei gerettet. Dann wurde eine Regierung gewählt, die dem Bankensektor nicht genehm ist. Und deshalb wurde ein Staat in den Bankrott getrieben. Nein, nicht von der Regierung. Die spart immer mehr – viel mehr als ihren Wählern recht ist. Trotzdem wird sie von einigen Finanzministern anderer Länder, die dazu genau genommen gar keine Macht haben dürften, heimtückisch sabotiert, um politisch Andersdenkende zu beseitigen oder um die EU „gesundzuschrumpfen“. Konsequenter wäre dann aber letztendlich eine EU ohne Deutschland.
Was sind denn wirklich die Ursachen der Krise? Daß die Griechen gar nicht früher in Pension gehen als anderswo und dann mit ein paarhundert Euro mangels Sozialhilfe oft die ganze arbeitslose Familie ernähren müssen, ist inzwischen bekannt.
Unreflektiert wird auch immer vom korrupten, griechischen System gesprochen, und dabei gewissenhaft verdrängt, daß wir selber Teil dieser Korruption sind. Jahrzehntelang besticht unsere Rüstungsindustrie einige Entscheidungsträger und profitiert dadurch von wirklich riesigen Geschäften. Weder die jetzige griechische Regierung noch die Bevölkerung haben damit etwas zu tun. Die Schuldigen auf unserer Seite bleiben ungeschoren. Ebenso all jene internationalen angeblichen Verantwortungsträger, die diese Kredite in nie mehr rückzahlbaren Höhen genehmigt haben, um von den Zinsen gut zu leben, und dann die illegale Verstaatlichung dieser Schuldscheine veranlaßten.
Durch Korruption zustandegekommene Geschäfte sind ungültig. Das heißt, daß Griechenland die daraus erwachsenen Schulden im Grunde gar nicht zurückzahlen muß. Wer jedoch seine Schulden (Kiegsschulden, Enteignungen, Zwangskredite, Reparationen) zurückzahlen muß, aber Schulden eigentlich noch nie ganz beglichen hat, ist der Rechtsnachfolger von Nazi-Deutschland. Doch dieses Nazi-Deutschland hat das enteignete (nicht nur griechische) Vermögen und die (damals tatsächlichen) Hilfsprogramme gut investiert und deshalb die alles entscheidenden Finanzmarkt-Entscheidungsträger fest im Griff.
Seit vielen Jahren wird einem Großteil der Euroländer ein Währungskurs aufgezwängt, den sie sich einfach nicht leisten können, der ihnen hunderte Milliarden kostet, den sie nur mit immer höherer Verschuldung aufrecht erhalten können. Die damit verbundenen Sparmaßnahmen hungern diese Staaten und damit auch deren Wirtschaft und Einnahmen immer mehr aus. Daß dieser Teufelskreis nicht durchbrochen werden darf, hat System.
Es ist ein grundlegendes Mißverständnis, daß Kredite gegeben würden um einer Person oder einem Staat zu helfen. Tatsächlich geht es nur darum, Macht auszuüben, mit dem langfristigen Ziel zu verpfänden und zu enteignen. Denn damit wird einfach mehr Gewinn gemacht. Gegen dieses Verpfänden wehren sich die Griechen, weil sie ja auch gar nie Nutznießer waren. Im Gegenteil müssen sie schon lange für etwas bezahlen, wovon nur wir profitieren.
Und immer mehr Milliardenkredite werden einem Staat aufgezwungen, doch das Geld komm nie in diesem Land an, sondern wird nur dafür mißbraucht, um damit einzelne Großbanken weiter zu mästen. Und das wird dann noch hämisch als Rettungspaket bezeichnet.
Ebenso werden Förderungen, die sowieso alle mit dem nötigen Eigenkapital (das Griechenland eben nicht hat) beantragen können, als „großzügiges Angebot“ beworben. Bösartiger kann Sarkasmus kaum sein.
Eine demokratisch gewählte Regierung wird von Bürokratisten (fragwürdigen Wirtschafts-Expertokraten also eigentlich Pluto- oder eben Trapezokraten), die – wie der Name schon sagt – weder demokratische Ambitionen haben noch demokratisch gewählt sind, zu Maßnahmen gezwungen, die deren Wahlversprechen vollkommen widersprechen. Diese Regierung nimmt den Begriff „Versprechen“ ernst und meint, sie darf diese Maßnahmen nicht setzen, ohne das Volk nochmal dazu zu befragen. Und alleine wegen dieser demokratischen Selbstverständlichkeit ziehen alle anderen Regierungen ihre Verhandlungsvorschläge wieder zurück und zeigen sich ganz theatralisch überrascht, enttäuscht, verärgert, empört und fassungslos. Was sagt das über das Demokratieverständnis und die Vertrauenswürdigkeit unserer Volksvertreter aus?
Und was sagt es über unsere Presselandschaft aus, wenn monatelang Lügen über angebliche griechische Luxusrentner, unwillige Verhandlungspartner usw. verbreitet, wenn unreflektiert oder gar böswillig Feindbilder geschürt werden, statt möglichst sachlich und konstruktiv zu informieren?
Konstruktiver wäre es, nicht wieder auf die Merkelsche vermeintliche Alternativlosigkeit hereinzufallen sondern uns real funktionierende unorthodoxe Antworten auf die Krise ansehen.
Ganz dringend sollte viel intensiver über die Gefahren der Eurokratie und über die wirklichen Werte & Ziele von Europa diskutiert werden.
Es gibt nicht nur die Möglichkeit, den europäischen Solidaritätspakt für zerstörerische Kreditvergaben zu mißbrauchen oder ihn als gescheitert zu verwerfen. Beides hat nichts mit Solidarität zu tun. Wir können auch eine neue Wirtschaftsunion sein, in der nicht die Stärksten sondern die Schwächsten die gemeinsame Geschwindigkeit bestimmen.
Und vor allem sollten wir darauf achten, wer unsere vielgelobten „Europäischen Werte“ tatsächlich lebt. Diejenigen, die vom Elend anderer profitieren, aber die Konsequenzen daraus nicht tragen wollen, oder diejenigen, die, obwohl sie selber nichts mehr haben, anderen Menschen in Not helfen, so gut sie können. Es ist bemerkenswert, wie (von uns) ausgebeutete Griechen bei einer Arbeitslosenquote von über 20 % und einer bald ebenso hohen Flüchtlingsquote ohne Hilfe des (von uns in den Konkurs geschickten) Staates Nächstenliebe ganz konkret leben. Wie leerstehende Hotels hergerichtet und Essensreste gesammelt werden und vor allem jenen ein Gefühl von Willkommen-sein gegeben wird, die unvorstellbares Leid erlebt haben.
Die Frage ist nicht, ob Griechenland aus der EU sondern ob der Rest von Europa aus dieser Wertegemeinschaft fällt. Wenn wir tatsächlich Teil eines nobelpreiswürdigen Friedensprojektes sein wollen, sollten wir Griechenland nicht als Problemkind sondern als Vorbild sehen.
Wem dieser Text (und der in den vielen Links) zu lang & mühsam ist, kann in diesem kurzen Video einige erste Vorurteile abbauen:
Wer ein Zeichen für einen anderen Umgang mit Griechenland setzen will, kann das z.B. hier tun.
Welche Lösungen sehr Ihr für ein friedliches Europa, das seine Werte ehrlich & integer lebt?
EDIT:
Eine prägnate und bemerkenswert ehrliche Analyse eines österreichischen Ökonomen und eine nicht ganz so unparteiische aber umso deutlichere Stellungnahme eines deutschen Oppositionspolitikers seien hier noch ergänzt.