Alle sprechen über einen Film, von dem schon im Vorhinein bekannt war, daß er eigentlich nur einen Vorzug hat: Der Titel paßt wie selten. Die neue Blockbuster-Version schafft das tatsächlich noch besser als die Porno-Variante von 2012: Öde Grautöne, triste Phantasielosigkeit, vage Schatten dessen, was BDSM tatsächlich sein kann. Wem dafür eigene Ideen fehlen, dem seien die wundervollen Filme von Almodovar, Shainberg, Cronenberg, Polanski, Lars von Trier, Julia Leigh, David oder Jennifer Lynch usw. oder auch die vielen Wildwest-, Ritter-, Piraten-, Wikinger-, Alien-, Märchen- oder Vampirfilme empfohlen.
Ja, was die Geschlechterrollen betrifft, sind die allermeisten Geschichten nicht besonders originell, aber wer das ändern will, kann ja seine eigene Geschichte schreiben.
Warum also unbedingt dieses fahle Gegenteil sexueller Träume?
Warum ist gerade diese langweilige Reduzierung auf ein paar Klischees so erfolgreich?
Manche werfen dem Film ja vor, er beschönige einige beängstigende Muster: Mann müsse nur reich sein, um alles machen zu dürfen. Frau müsse alles ertragen, um vielleicht irgendwann geliebt zu werden. Mehr noch: Selbst eine Akademikerin habe nichts anderes zu bieten als einen schönen Körper. Und besser als Problemelösen sei, von ihnen abzulenken. Je teurer desto besser! Davon leben ja nicht nur Juweliere, Gärtner, Schneider, Gastronomen und Eventplaner schon seit langem recht gut.
Ja, vielleicht ist Fifty Shades of Grey die neokapitalistische Version des Traumes vom Prinzen. Doch auch der wurde im Stechpalmenwald schon viel einfallsreicher geträumt.
Und doch könnte der große Erfolg dieses so eintönigen Streifens gerade in seiner Werbefilmtauglichkeit liegen. Schließlich bietet er eine bequeme, einfache Antwort auf die grundlegende Frage: Wann bin ich, was ich sein will?
So wie Künstlerbedarfs- oder Photofachgeschäfte schon lange viel Profit damit machen, daß viele mehr oder oft weniger produktive Menschen sich über den Kauf einer Staffelei, toller Künstlerfarben oder eines teuren Photoapparates als kreativ oder gar als avantgardistisch oder als Boheme definieren wollen, so wie uns Autos oder Regenjacken angeblich wild & frei machen, ja so wie selbst die Selbermacherei seit einigen Jahren als Markttrend zur Absatzsteigerung von Heimwerker-Utensilien, Kuechengeräten, Selbstversorger-Literatur oder unterhaltsamen Workshops mißbraucht wird, so soll auch hier die unerschöpfliche Vielfalt sexueller Phantasien auf den Gebrauch einiger Sexshop-Artikel reduziert, einfach konsumierbar gemacht werden. Kaufe das günstige Einsteiger-Paket, und Du darfst Dich als dominanten Meister sehen. Kaufe die Luxus-Edition und Du bist auch ein Grey – ein grauer, vorhersehbarer Möchtegern.
Doch wenn Du Dich wirklich auf das Abenteuer einlassen möchtest, statt fünfzig Grautönen die unzähligen Farben der sexuellen Phantasien zu entdecken, dann geht’s nicht um Geld sondern um Liebe, Vertrauen, Einfühlsamkeit, Rücksichtnahme, Auffangen, Austausch, Reflexion, Empowerment, Wachsen, Geduld, um Schenken statt Konsumieren und eben um ganz viel Kreativität & Einfallsreichtum – ein Reichtum, der sich selten am Bankkonto aber sicher im Lebensstil zeigt und manchmal für die wenigen, die sich genug Zeit dafür nehmen, um einen anderen Menschen wirklich gut kennenzulernen, auch im Bett, in der Kueche, im Stall, in der Werkstatt, in der Dunkelkammer, in luftigen Höhen, im Keller …
Grau in grau – ein Werbefilm erobert die Welt
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