Der Friedensturm will ja besonders bewußt avantgardistisches Experimentierfeld gemeinsamer Entscheidungsfindung als Grundlage jeder demokratischen Legitimität sein. Europa als demokratiehistorisches und weltpolitisches Experimentierfeld gemeinsamer Entscheidungsfindung, Spielball fremder Mächte, Opfer von Intrigen, Affairen, Lobbyismus kann aber auch ebenso wunderschönes Beispiel für die Vorzüge konsensueller Diversität sein.
Wann ist Europa, die ambitionierte Wiege der Demokratie, ganz real der sagenhafte Ort, an dem möglichst jede Form der Vielfalt und Konsens, das demokratische Mittel der Wahl, tatsächlich Vorrang haben? Was können wir tun, damit es sich in diese Richtung bewegt? Neben ganz persönlicher Vorbildwirkung gibt es diese Tage die Möglichkeit der Europawahl.
Daß Mehrheitsdemokratie und vor allem die derzeit übliche, verlogen populistische, kurzsichtig korrupte Parteipolitik nicht das beste aller Demokratiemodelle ist, wurde hier ja schon öfters erörtert. Die Europawahlen, die eine äußerst unglückliche Mischung aus Informationsverweigerung und engstirniger Nationalpolitik bilden, leiden deshalb schon lange unter demokratiepolitisch erschreckend niedriger Wahlbeteiligung. Daß dem nur teure Wahlaufrufe ohne ausführliche & ehrliche Informationen entgegengestellt werden, entlarvt die europäische Union als demokratiefeindliches Wirtschaftsbündnis. Warum noch immer so wenig über die Arbeit des Europaparlamentes berichtet wird, und warum nicht wirklich europaweit Parteien & Initiativen gewählt werden können, bleibt unerklärlich. Bezeichnend ist auch, daß viele Spitzenkandidaten ohne Parteilogo und teilweise sogar ohne -mitgliedschaft antreten. Deutet sich damit schon die Obsolenz der Blöcke an, oder ist das nur der Versuch, von den verbrecherischen Kollegen abzulenken?
Nachdem meine Fragen zu den letzten österreichischen Wahlen von allen Parteien trotz deren Beteuerungen über ihre Bürgernähe und Kommunikationsfreude nur oberflächlich oder gar unwahr beantwortet oder einfach ignoriert, zensuriert, blockiert und leider auch nach dem Wahlkampfstreß nicht wieder aufgegriffen wurden, fiel es mir zugegebenermaßen schwer, mich wieder zu Wahlempfehlungs-Recherchen zu motivieren. Weil aber viele der hier immer wieder thematisierten Mißstände in den Kompetenzbereich der EU fallen, will ich nochmal ein paar Zeilen zusammenfassen. Auch ohne Antworten zeigen die europäischen Fraktionen durch Ihr konkretes Handeln sehr deutlich, was wir auch in Zukunft von Ihnen zu erwarten haben. Wahlversprechen haben sowieso nicht einmal mehr einen Unterhaltungswert. Tatsächlich gelebte Integrität zeigen nur einige kleine und deshalb umso unterstützenswertere Bewegungen.
Auch wenn sich z.B. alle Parteien schon länger für die Finanztransaktionssteuer aussprechen, so sind die beiden großen offensichtlich dafür verantwortlich, daß sie noch immer nicht eingeführt wurde, ja daß im Gegenteil ungerechte & gesetzeswidrige Wettbewerbsverzerrungen weiter zunehmen. Sogar für das umweltpolitisch, gesundheitlich und vor allem rechtsstaatlich äußerst gefährliche TTIP verkauft uns die vermeintlich christliche „Volkspartei“ beschämend offensichtlich für dumm. Alle anderen sind angeblich dagegen, wobei sich jedoch nur die Grünen und die Linken wirklich aktiv dagegen einsetzen. Diese Freihandels-Anbiederung an exploitative Wild-West-Manieren ist ein Meilenstein verlogener, europäischer Ausbeutungspolitik, kann aber auch noch ein erster Schritt zu ethischem Empowerment werden.
Angeblich wurde die EU ja als Friedensprojekt gegründet. Ob sie das tatsächlich ist, hängt natürlich davon ab, was wir daraus machen. Wie chauvinistisch sehen wir die Welt? Und wie kritisch sehen wir vermeintliche Verbündete? Hier zeigen nur die Freiheitlichen und die Linken die notwendige Kritikfähigkeit um weiteres Blockdenken und damit womöglich einen neuen Weltkrieg zu verhindern. Alle anderen schockieren nur durch unreflekiertes Nachplappern friedensnobelpreisgekrönter Kriegshetze.
Es zeigt sich also, daß eine gute politische Führung unseres Kontinentes vor allem auch eine selbstbewußte, reflektierte, unbestechliche eigene Position gegenüber unserem amerikanischen „Freund“ vertreten muß. Deshalb ist jede Stimme wichtig, die nicht den großen, korrupten Opportunistenverbänden gilt.
In Zeiten stur heruntergespielter Spionageskandale ist besonders erfreulich, daß sich die Linken nicht nur endlich zusammengerauft sondern sogar mit den datenschutzrechtlich aktiven Piraten unter dem Namen „Europa anders“ zusammengeschlossen haben. Auch wenn die Mehrheit in Krisenzeiten immer eher konservativ wählt, und deshalb wahrscheinlich wieder die Fraktion der Staatsverscherbler (EVP) die Wahl gewinnen wird, so ist Nichtwählen keine verantwortungsvolle Lösung. Einfach deshalb, um mit gutem Gewissen sagen zu können: „Ich habe mein Bestes getan .)“