Wolf Hoogs Selbermacherei als emanzipatorisch nächste Konsequenz oder männliche Okkupation weiblichen Wissens?
Wie schon bei Gynäkologie, Pharmakologie, Psychologie, Astrologie, Theologie und so vielem anderen Wissen, das die feministische Wissenschaftskritik akademische Exploitation nennen mag, scheint wiedermal eine linke Gehirnhälfte entdeckt zu haben, was die rechte
schon lange wußte. An marktschreierische Werbung kommerzialisierter Hausfrauen-Tipps erinnernd, wird großes Trara gemacht, um eine wachsende Gruppe an Menschen, die sich möglichst viel selber machen wollen. Der weltweit auch durch die Wirtschaftskrise zu einem
historischen Comeback revitalisierte Trend, ist jedoch nicht neu. Und auch die Drehbuchschreiber der momentan populärsten Hausfrauen-Saga haben das Selbermachen sicher nicht erfunden, doch irgendwie kann der neuen Sparsamkeit, dieser ganzen Selbermacher-, Genießer-, Liebhaber- oder Freidenkereien ein etwas antiquiert-konservativer Hauch nicht weggejubelt werden.
Wie über unzählige Generationen die Frau zuhause möglichst sparsam den Haushalt führen und mit einfachen Mitteln ein wenig Schönheit und Freude in das Leben des hart arbeitenden Mannes bringen sollte, so kann man jetzt das Budget sanieren, indem man Frühstücksriegel bäckt oder Ingwerlikör kocht? Hier hat „man“ nur ein „n“, denn wer kommt schon in die Selbermacherei? „Die Hedge-Font-Manager nehmen sich nicht die Zeit“, scherzt Wolf Hoog, der Initiator der Selbermacherei. „Die nehmen sich eh alles – nur keine Zeit.“ Doch eigentlich ginge es genau darum: Sich einfach Zeit zu nehmen. Bei steigenden Arbeitslosenzahlen, prekären Beschäftigungen und Zwangsteilzeit ein häretischer und doch naheliegender Gedanke. Und während wir der verlockenden Idee nachhängen, nicht immer mehr verdienen zu müssen, um immer mehr ausgeben zu können, fängt die nächste Soap an und wir
wollten doch noch allen sagen, daß wir ab jetzt ganz viel selbermachen wollen, wenn wir irgendwann Zeit haben. Und wie das mit diesen Selbermacher_innen weitergeht, wird man interessiert beobachten.
„Veränderungen-aufschieben ist ein Kennzeichen von Sucht“, erklärt Wolf Hoog. Und vor allem an Konsumsüchtige wende sich sein Appell. Aber ob der gehört wird? Klar wissen wir alle seit Carrie Bradshaw, daß es nicht heißt, wir seien nicht Schuhkauf-süchtig, nur weil ein
erfundenes Jemand noch mehr Schuhe hat. Und wenn wir unser schlechtes Gewissen quälen wollen, können wir fast jede Freizeitbeschäftigung als Konsum entlarven. Aber was ist denn so schlimm daran? Hat nicht sogar Rudi Giuliani nach den Anschlägen auf das World Trade Center die Welt aufgefordert, die Stadt wieder aufzubauen, indem in New York eingekauft werden soll? Norbert Bolz sieht im Konsumismus das friedliche Gegengewicht zu religiösem Fundamentalismus. David R. Loy, Marianne Gronemeyer und Franz Hochstrasser bezeichnen Konsumismus selber als neue Religion und totalitäres Regime. Laut WWF leben wir alle um mehr als das Doppelte über unseren Verhältnissen. Ist eine neue Sparsamkeit notwendig, um die Erde zu retten?
Konsumsucht scheint die Wirtschaft zu erhalten aber das eigene Leben zu zerstören.
Schuldnerberatungsstellen warnen einer Epidemie, die gefährlicher ist, als irgendeine Viecher-Grippe. Die Arbeitertkammer fordert in ihren Berichten zur Kaufsuchtgefärdung schon seit Jahren Präventionsmaßnahmen, wie die Eindämmung von Angeboten, die Kaufsucht
stimulieren können. Auch über Warnungen wie in der Nikotin-Prävention wird diskutiert. „Vieles brauche ist nicht konsumieren, wenn ich es mir selber machen kann“, empfiehlt Wolf Hoog. Er will Kaufsuchtgefährdete anleiten, sich zumindest einen Tag in der Woche
die Zeit zum Selbermachen zu gönnen. „Schon als Kinder werden wir oft mit Spielzeug oder Süßigkeiten abgespeist, wenn wir eigentlich Zuwendung bräuchten. Diese Zeit sollten wir uns wieder geben.“ „Ich schenke lieber Zeit – auch mir selber“, steht dementsprechend auf
seinem selbstgestalteten T-Shirt. Damit diese freie Zeit nicht nur konsumiert sondern aktiv gestaltet werden kann, müssen wir uns auf alte Fähigkeiten besinnen. „Doch es lohnt sich,“ lockt Wolf Hoog „weil nichts so gut ist, wie Selbstgemachtes!“