Manchmal vergessen wir, daß wir immer mehrere Handlungsalternativen haben. Wenn uns etwas nicht gefällt, können wir entweder wegschauen oder es verändern. Wenn wir etwas nicht verstehen, können wir nachfragen, uns dafür interessieren oder es ignorieren, löschen, blockieren, bekämpfen und in letzter Konsequenz töten. Weil sich dabei jedoch nichts ändert – weder schaffen wir damit Alternativen, noch lernen wir etwas dazu – schaden wir dabei auch uns selber. Mangels Alternativen wird uns der Mißstand bald wieder stören. Für jeden Getöteten werden mehrere aufstehen. Die weißen, blinden Flecken in unserer geblockten Welt werden immer mehr werden. Und je weniger wir sehen, um so weniger können wir verstehen, verändern, mitgestalten. Ein Teufelskreis: Je weniger wir gestalten, umso weniger können wir tun. Und je weniger wir akzeptieren, umso weniger können wir aushalten. So machen wir uns selber zu blinden, hyperallergischen Opfern.
Und was von uns ausgegrenzt, ignoriert, blockiert, zerstört ist, wird versuchen, uns zu bekämpfen, auch wenn es das vielleicht vorher gar nicht wollte. Es muß ja sich selber verteidigen. Wer will schon isoliert oder getötet werden?
Es wird wachsen, immer stärker werden und uns immer mehr das Leben zur Hölle machen. Und auch wenn wir vielleicht vermeintlich kurzfristig stärker sind, hin & wieder oder sogar öfters eine Schlacht gewinnen, den Krieg können wir nur verlieren, weil das in der Natur des Krieges liegt. Was auch immer wir nur zerstören wollen, wird uns weiter verfolgen.
Um in der Sprache der großen monotheistischen Religionen zu sprechen: Wenn alles Teil der Schöpfung eines Gottes, Bestandteil dieses einen Gottes ist, dann zerstören wir, wenn wir einen Teil davon bekämpfen, auch ein Stück dieses Gottes. Wir ignorieren, löschen, blockieren, bekämpfen Gott. Wir selber töten unseren Gott.
Und wenn wir uns dessen bewußt werden, daß wir mit Gott nur unsere eigenen Gedanken, Wahrnehmungen und Projektionen verbinden können, töten wir folglich einen Teil von uns.
Aber wir können auch anders.
Wenn wir erkennen, daß uns vielleicht nur nicht gefällt, was wir so sehen wollen, was wir interpretieren & projizieren. Wenn wir sehen, daß der tote Junge im Bild oben mehr auf die Wand schreiben wollte, als „Es gibt keinen Gott“. Wenn wir wahrnehmen, wie oft wir andere nicht ausreden lassen, gar nicht zu Wort kommen lassen, weil uns ein Stichwort schon so ärgert, das vielleicht ganz anders gemeint war, als wir verstehen wollen, weil wir uns schon lange ein Bild vom anderen gemacht haben, das mit der Realität gar nichts zu tun hat, und weil wir alles tun, um unsere Meinung zu bestätigen, um Recht zu haben. Wenn wir realisieren, wie gewalttätig unsere eigenen ständigen, übergriffigen Unterstellungen sind, können wir weitere Gewalt verhindern.
Dann können wir Interesse und vielleicht sogar Sympathie für unsere Feinde entwickeln. Wir können lernen, allem Negativen auch Positives abzugewinnen, aus Dualismen ausbrechen, dritte, vierte und noch viel mehr Lösungswege finden. Wenn wir das Bekämpfte in uns selber finden, können wir Frieden damit schließen. Wenn wir uns in den anderen finden, können wir ihnen guten Willen, nachvollziehbare Bedürfnisse und einen Platz in unserer Welt zugestehen.
Weil Sterben nur dann nicht sinnlos war, wenn es anderes Sterben verhindert.
Weil wir besser für Zivilcourage als gegen andere Menschen sind.
Weil wir nur Frieden finden, wenn wir aus der Geschichte lernen, wenn wir Feindbilder hinterfragen, wenn wir Lösungen statt Schuldigen suchen und diese Lösungen auch ganz konkret selber leben.